der muerzpanther
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DIE VORPROGRAMMIERTEN KONFLIKTE Jede   Form   der   Energiegewinnung   hat   Nachteile.   Das   Verbrennen   von   fossilen   Treibstoffen   erzeugt   einen   hohen CO2 Ausstoß,   das   Errichten   von   Wasserkraftwerken   schadet   in   großem Ausmaß   den   Fischbeständen   -   bis   hin   zum Artensterben,   die   Windkraft   ist   oft   der   Tod   der   Vögel.   Daneben   dürfen   aber   auch   die   anderen   Faktoren,   die   zur Dezimierung   der   gefiederten   Wirbeltiere   beitragen   nicht   außer   Acht   gelassen   werden.   Auch   wenn   es   unter- schiedliche   Vogelarten   trifft,   Hauptfeind   der   Vögel   ist   und   bleibt   die   Hauskatze!   In   Revieren   werden   Raubvögel vergiftet,   Singvögel   fliegen   gegen   Fensterscheiben   und   sterben.   Wird   also   die   Problematik   mit   Windkraftanlagen übertrieben? Nein!   Um   dieses   Konfliktpotential   und   vorrangig   um   den   Schutz   gefährdeter   Vogelarten   nimmt   sich   BirdLife Österreich   an   und   stellt   eine   Forderung:   Keine   Beschleunigungsgebiete    in   sensiblen   Zonen!   Darunter   wird   die Umsetzung    der    (Achtung!    Zungenbrecher!)    neuen    Erneuerbare-Energien-Richtlinie    (RED    III)    verstanden    und Österreich   steht   damit   vor   der   herausfordernden Aufgabe,   den Ausbau   erneuerbarer   Energien   zu   beschleunigen, ohne   dabei   den   Naturschutz   zu   gefährden.   Für   die   Umsetzung   dient   die   Erstellung   sogenannter   Beschleunigungs- gebiete,   die   von   Österreich   bis   21.02.2026   auszuweisen   sind.   Dabei   sieht   BirdLife   Österreich   die   Notwendigkeit, Klimaschutz   und   Biodiversitätsschutz   gleichermaßen   zu   berücksichtigen   und   damit   Zielkonflikte   zu   vermeiden. Für    diesen    Zweck    hat    die    Organisation    die    österreichweite    „Ornithologische    Sensibilitätskarte    Windkraft“ erstellt.   Diese   Karte   ermöglicht,   Gebiete   mit   hohem   Konfliktpotenzial   zwischen   Windkraftnutzung   und   Vogel- schutz zu identifizieren. Der    Termin    für    die    Erstellung    der    Beschleunigunsgebiete    ist    nicht    mehr    allzu    fern,    weswegen    sich    der MÜRZPANTHER   dieses   Themas   angenommen   hat.   Mit   den   aktuellsten   Informationen   von   Seiten   BirdLife   Öster- reich.   Gesprächspartner   ist   MMag.   Bernadette   Strohmaier,   die   bei   der   Erstellung   des   Leitfaden   für   ornitho- logische   Erhebungen   im   Rahmen   von   Naturschutz-   und   UVP-Verfahren   zur   Genehmigung   von   Windkraftanlagen und      Abstandsempfehlungen   für   Windkraftanlagen   der   zu   Brutplätzen   ausgewählter   Vogelarten “   mitgearbeitet hat.   Dieser   soll   als   als   naturschutzfachliche   Grundlage   sowohl   den   Bundesländern   bei   der   Ausweisung   von Beschleunigungsgebieten als auch bei der Einzelprojektplanung dienen.
dMP:   Aus   Ihrer   Aussendung:   „BirdLife   Österreich   sieht   die   Notwendigkeit,   Klimaschutz   und   Biodiversitäts- schutz   gleichermaßen   zu   berücksichtigen.“   Es   macht   nicht   den   Eindruck,   dass   das   funktionieren   kann/   wird. Welche Lösung schlagen Sie dazu vor? Bernadette   Strohmaier:   Wir   haben   hierzu   vergangenen   Herbst   ein   Dokument   verfasst,   in   dem   viele   Möglichkeiten aufgezeigt   werden,   wie   sich   Klimaschutz   und   Biodiversitätsschutz   nicht   ausschließen.   Voraussetzung   hierbei   ist immer   die   Prämisse,   dass   Gebiete   mit   einer   hohen   Bedeutung   für   die   Biodiversität   vom Ausbau   der   erneuerbaren Energien ausgenommen werden. Ein Auszug aus dem Dokument als Bsp.: Abhängig   von   den   Gegebenheiten   geplanter   Projekte   zur   Erzeugung   von   erneuerbaren   Energien   und   deren Einfluss    auf    betroffene    Arten    und    Lebensräume    kann    es    ebenso    sinnvoll    wie    notwendig    sein,    große zusammenhängende   Flächen   zu   renaturieren   und   ein   langfristiges   Flächenmanagement,   den   Bedürfnissen   der betroffenen   Arten   entsprechend,   umzusetzen.   Es   können   sich   wertvolle   Synergie-Effekte   ergeben,   welche   aus fachlichen,   wirtschaftlichen   und   gesellschaftlichen   Gründen   genutzt   werden   sollten.   Die   Maßnahmen   sollten auf   eine   Gesamtbetrachtung   des   ökologischen   Wirkungsgefüges   abzielen   und   einen   dahingehenden   Mehrwert schaffen.   Als   Beispiel   sei   hier   die   Wiederherstellung   von   großflächigen   Feuchtgebieten   mit   einer   extensiven Nutzung, etwa durch naturschutzfachliche Beweidung mit Großherbivoren, zu nennen. dMP:   Sie   sprechen   von   „Konfliktpotenzial“   zwischen   Windkraft   und   Vogelschutz.   Sie   haben   sicher   Zahlen, die   das   Konfliktpotenzial   belegen.   Welche   Verluste   gibt   es   anhand   der   Beispiele   Rotmilan   im   Osten   und Auerhuhn im Westen des Landes? Welchen Verletzungen fallen die Tiere Windrädern zum Opfer?  Bernadette   Strohmaier:   Es   gibt   in   Österreich   kein   Monitoring   der   Verluste.   Die   Betreiber-Firmen   sind   nicht   ver- pflichtet   das   zu   tun   bzw.   auch   Zufallsfunde   zu   melden.   Wir   können   als   NGO   auch   kein   solches   Monitoring stemmen   bzw.   sehen   das   auch   nicht   als   unsere   Aufgabe.   D.h.   die   tatsächlichen   Verluste   sind   weitgehend unbekannt.   Es   ist   aber   so,   dass   die   negativen   Einflüsse   für   die   einzelnen   Arten   aufgrund   von   Studien   durchaus bekannt   und   belegt   sind.   Für   einzelne   Arten   haben   wir   zudem   relative   Zahlen:   Bei   Kaiseradlern   und   Seeadlern machte    die    kollisionsbedingte    Mortalität    mit    Windkraftanlagen    (WKAs)    den    höchsten    Anteil    bei    den    tot aufgefundenen   Tieren   aus.   Wir   müssen   zumindest   beim   Kaiseradler   davon   ausgehen,   dass   diese   etwa   10-25%   der Todesfälle   bedingt.Beim   angesprochenen   Rotmilan   gibt   es   offenbar   in   Österreich   ein   weniger   großes   Problem   als in   Deutschland.   Das   hängt   aber   auch   sicherlich   damit   zusammen,   dass   der   Rotmilan   in   weiten   Teilen   von Österreich vorkommt, wo kaum WKAs stehen. dMP:   Ich   habe   die   mühevolle   Wieder-Besiedelung   der   Hohen   Tauern   mit   Bartgeiern   mitverfolgt.   Gibt   es bereits durch Windkraftanlagen Verluste oder sind diese zu befürchten?  Bernadette   Strohmaier:   Aktuell   überschneidet   sich   die   Verbreitung   der   Bartgeier   kaum   mit   jener   der   WKAs. Zukünftig   ist   aber   davon   auszugehen,   dass   es   zu   Konflikten   kommen   wird.   Sowohl   was   den   Lebensraumverlust   als auch   die   kollisionsbedingte   Mortalität   betrifft.   Aufgrund   des   geringen   Bestands   ist   der   Bartgeier   eine   der sensibelsten Arten.
dMP: An der Aussiedelung von Bartgeiern in den Hohen Tauern sind ja auch das Bundesministerium für Klima und    Umweltschutz,    sowie    der    Europäische    Landwirtschaftsfonds    beteiligt.    Daneben    gibt    es    sicher Finanzierung   vom   EEP   –   dem   Europäischen   Erhaltungszuchtprogramm.   Auf   der   anderen   Seite   steht   mit   RED III   ebenfalls   ein   Bundesministerium   und   die   EU.   Ist   das   nicht   der   komplette   Irrwitz   –   sich   gegenseitig Ausschließendes gleichermaßen zu fördern und zu finanzieren? Wie läßt sich das aus Ihrer Sicht lösen?  Bernadette   Strohmaier:   Wir   alle   müssen   die   Auswirkungen   des   Klimawandels   und   des   Verlusts   der   Biodiversität gleichermaßen   ernst   nehmen.   Die   Umsetzung   der   RED   III   ist   im   Grunde   Aufgabe   der   Länder,   da   die   relevanten Gesetzesmaterien   zur   Raumordnung   und   zum   Naturschutz   Aufgabe   der   Länder   ist.   Der   Bund/das   BMLUK   können hier   „nur“   übergeordnet   organisatorisch   regeln.   Das   sinnvollste   den   Naturschutz   und   die   Energiewende   gleicher- maßen   berücksichtigende   Mittel   ist   aus   Sicht   von   BirdLife   Österreich   Windkraft-Zonierungen,   die   in   der   Ausar- beitung   von   Windkraft-   Tabu-   und   Eignungszonen   alle   relevanten   Stakeholdergruppen   an   einen   Tisch   bringt.   Das gilt   natürlich   auch   für   die   Photovoltaik,   die   zunehmend   auf   freien   Flächen   ausgebaut   werden   wird.   Gebiete   von hoher   naturschutzfachlicher   Bedeutung   sollen   vom   Ausbau   der   Erneuerbaren   Energien   ausgeschlossen   werden. Die   RED   III   beinhaltet   einige   Vorgaben,   die   –   bei   Einhaltung   –   die   Naturschutzinteressen   durchaus   wahrt.   BirdLife ist    bemüht,    mit    seiner    Arbeit    hier    beizutragen,    indem    wir    im    Mai    die    österreichweite    ornithologische Sensibilitätskarte   für   Windkraftplanungen   erstellt   haben,   als   Datenbasis   für   die Ausweisung   von   Beschleunigungs- gebieten.   Die   Sensibilitätskarte   ist   eine   österreichweite   Darstellung   des   Konfliktpotenzials   und   soll   als   Grundlage für   eine   Interessenabwägung   dienen,   nicht   als   deren   Ergebnis.   Sie   zeigt,   wo   in   Österreich   die   meisten   Konflikte zwischen    Vogelschutz    und    Windkraftnutzung    zu    erwarten    sind.    Die    Karte    kann    jedoch    keines-falls    eine Einzelstandortprüfung oder regionale Raumordnungskonzepte (Zonierungen) ersetzen.
Die Karte „Ornithologische Sensibilitätskarte Windkraft Österreich“ stellt räumlich die relative ornithologische Sensibilität in Hinblick auf die Windkraftnutzung für Österreich dar. Die Grundlage für die Bewertung sind: - das Vorkommen von windkraftsensiblen Brutvogelarten sowie  - das modellierte Vogelzugaufkommen. Auffallend sind natürlich die vielen dunkelroten Gebiete: in Ostösterreich, den Tauern über die Lechtaler Alpen nach Vorarlberg. Quelle und Grafik: BirdLife Österreich
Rotmilane sind wahre Flugkünstler und insgesamt beeindruckende Tiere. Die Be- standsentwicklung ist positiv, ca.130 Brut- paare gibt es in Österreich. Das Argument der IG Windkraft, dass daher ohendies nur wenige Rotmilane und andere große Raubvögel zu Schaden kommen, ist nur der äußerst geringen Bestandsdichte geschuldet. Der internationale Schutzstatus besagt: Der Rotmilan unterliegt  der Europäischen Vogelschutzrichtlinie und ist im Anhang I der Vogelschutzrichtlinie aufgeführt, für ihn müssen folglich besondere Schutzmaßnahmen ergriffen werden. Bild links: pixabay Bild rechts: Vergifteter Rotmilan in Oberösterreich, BirdLife Österreich
dMP:   In   Ihrer Aussendung   handelt   es   sich   vor   allem   um   große   Vogelarten   –   wie   betroffen   sind   beispielsweise auch Singvögel?  Bernadette   Strohmaier:   Natürlich   können   auch   Singvögel   betroffen   sein,   es   handelt   es   sich   hierbei   zumeist   um Schwärme,   die   im   alpinen   Raum   zur   Zugzeit   die   Pässe   queren   und   hier   Engstellen   bestehen.   Bei   solchen   „Nadel- öhren“   sollten   keinesfalls   Windkraftanlagen   errichtet   werden.   Im   außeralpinen   Raum   finden   die   Zugbewegungen eher    breitflächiger    und    in    hohen    Höhen    statt.    Greifvögel    können    deshalb    so    stark    von    Windkraftanlagen beeinträchtigt   werden,   da   sie,   ihrem   Jagdverhalten   entsprechend,   häufig   auf   Höhe   der   Rotorblätter   Suchflüge auf Beutetiere unternehmen und dabei erfasst werden können. dMP: Wie sieht die Gefährdung im Vergleich Stand – Zugvögel aus?  Bernadette   Strohmaier:   Im Alpenraum   weisen   WKA   ein   hohes   Konfliktpotenzial   neben   den   Brutvögeln   v.a.   für   den herbstlichen    Kleinvogel-Zug    auf,    da    Zugrouten    häufig    konzentriert    über    Alpentäler    und    Pässe    verlaufen. Außerhalb    des    Alpenraums    ist    dieser    Aspekt    für    Kleinvögel    aufgrund    des    vorherrschenden    breitflächigen Überfliegens   in   relativ   großer   Höhe   über   Grund   bei   derzeitigem   Wissensstand   von   untergeordneter   Bedeutung. Jedoch   besteht   außerhalb   des   Alpenraums   während   der   Brutzeit   bzw.   im   Winter   ein   höheres   Konfliktpotenzial mit   dem   Naturschutz   durch   ein   ungleich   größeres Artenspektrum   windkraft-sensibler   Vogelarten,   v.a.   in   Ostöster- reich. Dort kann es auch verstärkt zu Konflikten an Rasthabitaten kommen.  dMP:   Österreich   hat   sich   selbst   Klimaneutralität   bis   2040   auferlegt.   Die   EU   erst   bis   2050.   Ist   nicht   zu befürchten,   dass   diese   politische   Entscheidung   –   bevor   Strafzahlungen   verhängt   werden   –   zu   Ungunsten   der Vogelarten   ausgehen   werden?   Denn   in   der   Öffentlichkeit   wird   es   kaum   Verständnis   dafür   geben,   Strafe   zu zahlen, um ein paar Vögel zu retten …  Bernadette   Strohmaier:   Es   wird   sich   zeigen,   inwieweit   der   Klimaschutz   den   „lokalen“   Naturschutz   konter- kariert.   Wir   sind   überzeugt,   dass   beides   möglich   ist,   wenn   entsprechend   sensibel   geplant   wird   und   beide Aspekte ernstgenommen   werden.   Es   geht   auch   nicht   um   „ein   paar   Vögel“   sondern   es   geht   darum,   wertvolle   ökologische Lebens-   und   Naturräume   nicht   unnötig   zu   opfern.   Grundsätzlich   sollte   ja   versucht   werden,   jegliche   Infra- strukturvorhaben   so   um   zu   setzen,   dass   sie   einen   möglichst   geringen   Schaden   für   unsere   Umwelt   haben.   Und   wir sehen   hier   kein   „zuviel“   Windräder   sondern   einfach   gebietsweise   ein   „am   falschen   Fleck“.   Daher   Zonierungen etc. als wertvolles Tool des Interessenausgleichs. dMP: Herzlichen Dank für das Interview!
Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) in Deutschland weist darauf hin, dass keine gesicherten Zahlen existieren – es gibt schlicht keine systematische Erfassung im gesamten Bundesgebiet. Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) schätzt, dass jährlich rund 100.000 Vögel durch Kollisionen mit Windkraftanlagen zu Tode kommen. Wenn darunter dann 20 Kaiseradler und 34 Rotmilane sind, kann das eine Population natürlich gefährden! Bildmontage: der MÜRZPANTHER