RIVALITÄT? - DASS ICH NICHT LACHE!
Eines
ist
gewiss.
Alles
ist
besser,
als
zur
Adventzeit
einkaufen
zu
gehen,
auch
wenn
diese
Sichtweise
gerade
ein
wenig
Zeitgeist
widerspiegelt.
Ich
habe
es
mir
angetan
und
bin
aus
dem
mittlerweile
zauberhaft
verschneiten
Neuberg
an
der
Mürz
wieder
einmal
für
einen
Ausstellungsbsuch
in
die
große
Stadt
gefahren,
die
mit
den
Buchstaben
Wie
beginnt
und
mit
n
endet.
Das
Ziel:
das
Künstlerhaus,
die
Albertina
Modern.
Verheißungsvoll
der
Titel der Ausstellung: 'Herbert Boeckl – Oskar Kokoschka. Eine Rivalität'
Es
ist
schwer,
diesen
Titel
nachzuvollziehen,
da
diese
beiden
Künstler
nichts
vereint,
was
eine
Rivalität
begrün-
den
könnte.
Außer:
beide
sind
damals
in
Österreich
geboren,
annähernd
zur
selben
Zeit.
Herbert
Böckl
1894
in
Klagenfurt
und
Oskar
Kokoschka
1886
in
Pöchlarn,
Niederösterreich.
Was
sie
noch
vereint?
Zahlreiche
Reisen,
beide
waren
zu
Lebzeiten
auch
erfolgreich.
Und
wo
bleibt
die
Rivalität?
Die
sucht
man
eher
vergebens,
denn
während
ihrer
Schaffensperiode
hatten
sie
keine
Gemeinsamkeiten,
keine
Berührungspunkte,
aber
auch
keine
Rivalität.
Der
Titel
scheint
also
eher
„aufgesetzt“,
irgendetwas,
um
die
Aufmerksamkeit
der
Öffentlichkeit
zu
erregen.
Leider
suggeriert
man
dem
Besucher
eine
Erwartung,
die
gar
nicht
notwendig
wäre,
sprechen
doch
die
Werke beider Künstler für sich.
Um
zum
Künstlerhaus
zu
gelangen,
muss
man
nicht
über
den
Karlsplatz
vor
der
Kirche
gehen.
Ich
tue
es
mir
aber
trotzdem
an,
weil
ja
der
Adventmarkt
bereits
eröffnet
wurde.
Es
war
zu
erwarten:
greller
Kommerz.
Dieses
Bild
erweckt
umso
mehr
Vorfreude,
den
Adventmarkt
zu
Hause
in
Neuberg
an
der
Mürz
zu
besuchen,
beginnend
mit
dem
ersten
Adventwochenende.
Stimmungsvoll
in
den
Stiftshöfen,
vielleicht
verschneit,
ein
nettes
Plauscherl
mit Bekannten und gewohnt guter Gastronomie.
Herbert Boeckl
Anatomisches Skizzenbuch, um 1930, Kreide,
48 x 60 cm
ALBERTINA, Wien © Herbert-Boeckl-Nachlass, Wien
„Die
Ausstellung
bietet
einen
umfassenden
Überblick
über
das
Schaffen
beider
Künstler
und
hebt
die
bedeutende
Rolle
der
Zeichnung
in
ihrem
Œuvre
hervor.“
schreibt
die
Kuratorin
Elisabeth
Dutz.
Der
umfassende
Überblick
ist
wohl
etwas
zu
hoch
gegriffen,
die
bedeutende
Rolle
der
Zeichnung
unterstreicht
sie
in
der
Ausstel-
lung.
Das
ist
glaubhaft,
die
große
zeitliche
Spanne
der
Schaffenszeit
zeigt
auch
die
Entwicklung
beider
Künstler.
Oskar
Kokoschka
ist
einer
der
Gründerväter
der
Moderne,
ein
weltberühmter
Künstler
mit
internationaler
Karriere.
Bereits
ab
1906/07
entstehen
seine
frühexpressionistischen
Hauptwerke
in
Wien.
Herbert
Boeckls
Œuvre
beginnt
sich
erst
nach
dem
Tod
von
Gustav
Klimt
und
Egon
Schiele
(1918)
und
dem
Umzug
von
Kokoschka
nach
Dresden
(1919)
zu
entfalten,
obwohl
er
nur
acht
Jahre
jünger
ist.
1934
geht
Kokoschka
aus
politischen
und
wirtschaftlichen
Gründen
nach
Prag,
und
flieht
1938
nach
London.
Böckl
bleibt,
nicht
zuletzt
wegen
seiner
großen
Familie,
in
Österreich
und
versucht,
seine
Arbeit
so
gut
wie
möglich
fortzusetzen.
Er
wird
nach
1945
die
prägende Lehrerpersönlichkeit in Österreich.
Die
Ausstellung
führt
den
Besucher
chronologisch
durch
das
Schaffen
-
das
bietet
sich
immer
an.
Beginnend
mit
den
Akten
und
Halbakten
junger
Mädchen,
über
die
Portraits
oder
„Menschenköpfe“,
die
noch
nicht
die
Ausprägung
in`s
Detail
des
Künstlers
Oskar
Kokoschka
zeigen,
gelangt
man
schnell
zu
den
Akten
von
Herbert
Böckl.
Gänzlich
anders
ausgerichtet,
gestaltet
er
seine
Darstellungen
nicht
durch
den
Kontur,
sondern
arbeitet
mit
einer
offenen
Zeichenweise.
In
diesem
Kontext
sticht
ein
Blatt
besonders
heraus,
eine
weiblicher
Akt
von
1919,
weich
fließend,
wie
ein
Gedanke,
eine
Andeutung
in
Querformat.
Das
Besondere
daran
ist
die
fehlende
Gegenständlichkeit,
es
ist
wie
die
Idee
selbst
von
Akt.
Diese
Zeichnungen
der
1920er-Jahre
zeigen
keine
individuellen
menschlichen
Körper,
sondern
verallgemeinern.
Es
kommt
zu
keiner
expressiven
Inszenierung
von
Körpersprache und Gestik wie bei Schiele, sondern zu einem fließenden Übergang der Körper in ihren Umraum.
Herbert Böckl wird nach 1945 die prägende Lehrerpersönlichkeit in Österreich.
Säugetiere, Vögel, Amphibien und Reptilien sind bei Kokoschka Sinnbilder für Gefühle und Seelenzustände.
Die
Rivalität
kann
auch
im
Weitergehen
nicht
erkannt
werden,
aber
im
dritten
Raum
hat
man
sich
damit
ohnedies
bereits
abgefunden.
Die
Aufmerksamkeit
liegt
auch
eher
auf
den
Themen
der
Grafiken:
Neben
den
Akten
findet
die
Natur
bei
beiden
Künstlern
viel
Raum.
Tauben
beispielsweise
oder
Fische
an
einer
Schnur
von
Herbert
Böckl,
Säugetiere,
Vögel,
Amphibien
und
Reptilien
sind
es,
die
sich
bei
Kokoschka
als
Sinnbilder
für
Gefühle
und
Seelenzustände
wiederfinden.
Auch
die
Aquarelle,
in
denen
Oskar
Kokoschka
die
Blumen
in
Villeneuve
am
Genfersee
verewigt,
zeigen
den
Garten
mit
den
blühenden
Pflanzen
als
sein
Paradies.
Detailverliebt
und
durch
den
Einsatz
einer
wunderbaren
Lichtwirkung
werden
die
Pflanzen
-
wie
das
Blatt
mit
den Zwetschken am Ast - zum Leben erweckt. Für den Naturliebhaber eine reine Freude.
Das
Hauptaugenmerk
in
dieser
Ausstellung
liegt
auf
den
Grafiken
der
Künstler,
was
bei
der
Albertina
nicht
erstaunlich
ist,
hat
dieses
Haus
doch
eine
weltweit
einzigartige
Sammlung:
Und
doch
wäre
es
wünschenswert
gewesen,
das
Werk
beider
Künstler
mit
weiteren
Ölbildern
zu
ergänzen.
Durch
das
fast
gänzliche
Fehlen
an
Ölbildern
stechen
die
wenigen
gemalten
Exponate
umso
mehr
heraus:
Lebensgroß
in
Öl
ist
Herbert
Böckls
–
einst
skandalöse
Darstellung
–
seiner
nackten
schwangeren
Frau
heute
als
Statement
weiblichen
Selbstbewusstseins
zu
sehen.
Kunst
ist
halt
immer
ein
bisschen
ein
Kind
ihrer
Zeit.
Fast
möchte
man
sich
von
der
Ausstellung
schon
verabschieden,
stößt
man
doch
noch
auf
die
Wand
mit
den
nackten
Toten.
Das
Highlight!
Für
ein
monumentales
Ölbild
des
Seziervorgangs
fertigt
der
Kärntner
Künstler,
eingeladen
1931
vom
Primararzt
des
Wiener
Kaiser-
Franz-Joseph-Spitals,
eine
Reihe
von
Studienzeichnungen
an,
weit
über
70
an
der
Zahl.
Böckl
zeichnet
im
Seziersaal
die
dort
liegenden
Toten
–
Männer,
Frauen,
Kinder
–
in
unterschiedlichen
Stadien
der
Leichenöffnung.
Manchmal
zeichnet
er
den
ganzen
Körper,
mitunter
in
perspektivischer
Verkürzung;
manchmal
konzentriert
er
sich
auf
Details,
die
er
besonders
herausarbeitet
oder
wiederholt.
„
Nachdem
ich
die
Anatomie
gemalt
habe,
überkam
mich
eine
große
Verlassenheit
.“
Das
ist
verständlich
in
einem
Künstlerleben
mit
Frau
und
elf
Kindern.
Das
Gemälde
Anatomie
zählt
heute
zu
seinen
Hauptwerken
-
sehen
kann
man
es
aber
in
der
Ausstellung
leider
nicht. Ein Versäumnis! Bis 17. März 2024.
Eines der wenigen Ölbilder der Ausstellung: ein Selbstbildnis des Künstlers.
Herbert Boeckl
Selbstbildnis mit blauem Hemd, 1929, Öl auf Leinwand 90 x 74 x 5 cm
ALBERTINA, Wien – Familiensammlung Haselsteiner © Herbert-Boeckl-Nachlass, Wien