FOTOGRAFIE IST KEINE KUNST!
Wie
lange
hat
es
gedauert,
dass
Österreich
bzw.
Wien
als
„Hauptstadt“
den
Zug
der
Zeit
erkannt
hat,
um
der
neuen,
jungen
Kunstform
Fotografie
(das
erste
Foto
entstand
1826
in
Frankreich!)
Platz
und
Ausstellungsfläche
einzuräumen?
Als
in
ganz
Europa
das
Medium
bereits
mit
namhaften
Museen
dieser
Kunstgattung
flächen-
deckend
vertreten
war,
war
Österreich
standhaft.
Standhaft
gegen
Neuerungen
und
standhaft
gegen
eine
Kunstrichtung,
die
lange
als
solche
nicht
anerkannt
worden
ist.
In
den
späten
70er,
frühen
80er
Jahren
des
vorigen
Jahrhunderts
war
es
dann
endlich
so
weit:
Die
Politik
und
die
Verantwortlichen
konnten
sich
durch-
ringen
der
Fotografie,
die
lustigerweise
gerade
in
Österreich
sehr
früh
zu
künstlerischer
Ausformung
gelangte,
eine
anerkannte
Plattform
zu
bieten.
Die
Camera
Austria
in
Graz
wurde
1980
in`s
Leben
gerufen.
Der
Fotohof
Salzburg
wurde 1981 gegründet.
Fast
zur
selben
Zeit
schreibt
Peter
Weibel
1984
in
Der
Diskurs
der
Fotoausstellungen
das
Geschehen
folgender-
maßen:
„
Verzeichnet
schon
die
Zwischenkriegszeit
erschreckend
wenige
Foto-Ausstellungen,
so
ist
die
Nachkriegs-Ära
von
einer
kontinuierlichen
und
skandalösen
fotografischen
Blankheit.
Eine
Folge
der
restaurativen
Kulturpolitik
der
50er
und
60er
Jahre,
welche
diejenige
der
Zwischenkriegszeit
nahtlos,
wenn
nicht sogar verschärft, fortsetzte. Der offizielle Kulturbetrieb hat also in Sachen Fotografie vollends versagt
“.
Wie
Sie
aus
all
den
bereits
getätigten
Äußerungen
schließen
werden,
hat
sich
der
MÜRZPANTHER
wieder
einmal
mit
der
in
seinen
Augen
„Kunstgattung“
Fotografie
beschäftigt.
Kunstgattung
deswegen,
weil
das
Medium
mehr
Möglichkeiten
als
reine
Pressefotografie,
als
dokumentarische
Darstellung,
als
reines
Abbild
einer
Wirklichkeit
zulässt.
Wofür
also
steht
Fotografie
-
damals
wie
heute?
„
Schon
kurz
nach
ihrer
Entdeckung
wurde
über
die
zukünftigen
Einsatzfelder
der
Fotografie
spekuliert
–
von
der
Botanik
bis
hin
zur
Astronomie.
Heute
erleben
wir
durch
das
Aufkommen
algorithmischer
Bilder
einen
ähnlich
tiefgreifenden
Wandel.
Die
FOTO
WIEN
2025
lädt
das
Publikum
ein,
sich
aktiv
mit
diesen
und
weiteren
fotografischen
Visionen
der
Zukunft
auseinanderzusetzen
“, so Kuratorin Mona Schubert.
Anlass
für
diese
Einordnung
war
die
Eröffnung
der
FOTO
WIEN,
im
Arsenal.
Das
weitläufige
Gelände,
das
auch
das heeresgeschichtliche Museum beherbergt, ist für sich bereits einen Besuch wert.
Die Gleichschaltung von Kunst und Moral dürfte nicht sein …
Werke historischer Fotopioniere treten in Dialog mit zeitgenössischen Positionen.
Science/Fiction
-
A
Non-History
Of
Plants
ist
ein
durchaus
gehaltvoller
Titel.
Und
letztlich
wird
die
Erwartung
auch
nicht
enttäuscht;
sofern
man
den
Umfang
der
Ausstellung
nicht
miteinbezieht.
Die
Eröffnungsschau
der
diesjährigen
FOTO
WIEN
mutet
eher
wie
eine
Eröffnungsschau
in
Sankt
Pölten
an.
Der
Inhalt
der
Ausstellung
setzt
sich
mit
der
Frage
auseinander:
Was,
wenn
Pflanzen
intelligenter
wären,
als
wir
denken?
Wenn
sie
beobachten,
kommunizieren
–
vielleicht
sogar
träumen?
Es
ist
eine
gewagte
theoretische
Fragestellung,
die
aber
in
Teilbe-
reichen
bereits
wissenschaftlich
beantwortet
und
belegt
ist:
Pflanzen
kommunizieren
über
chemische
Signale
miteinander.
Pflanzen
verdrängen
andere
Pflanzen
von
Standorten,
um
ihren
Lebensraum
zu
sichern.
Pflanzen
bilden
Geruchs-
und
Farbstoffe
aus,
um
mit
ihrer
Umwelt
in
Kontakt
zu
treten;
mit
Bestäubern
beispielsweise.
Pflanzen
haben
die
biologische
„Intelligenz“
entwickelt,
für
den
Energiehaushalt
die
Blätter
über
den
Winter
fallen
zu
lassen.
Demnach
kann
sich
das
Thema
um
Träume
und
Intelligenz
der
Pflanzen
nur
auf
ein
Gedankenspiel
erstrecken,
mit
dem
der
Mensch
die
Begriffe
verbindet.
Und
weil
das
Maß
aller
denkbaren
Dinge
unser
recht
eingeschränktes
Vorstellungsvermögen
ist,
begegnen
wir
auch
diesem
Thema
mit
dem
Konkreten
aus
unserer Erfahrung und „Bildung“.
Grundsätzlich
muss
eine
Fotoausstellung
meiner
Meinung
nach
das
Thema
Fotografie
behandeln.
Fotografie
be-
inhaltet
auch
künstlerische
Aspekte,
die
in
der
Auswahl
der
Werke
nicht
in
den
Hintergrund
treten
dürfen.
Sonst
sollte
man
Ausstellung(en)
als
Moralvorlesung
anlegen.
Dieser
Eindruck
wird
vor
allem
durch
die
Begleittexte
her-
vorgerufen,
die
seit
Jahren
die
Werke
der
Künstler
begleiten.
Dabei
ist
es
durchaus
vertretbar
zeitaktuelle
Themen
zum
Inhalt
zu
machen
-
wann
hat
Zeitthematik
nicht
zur
Inspiration
von
Künstlern
beigetragen?
Was
anstößig
ist,
ist
dass
der
Besucher
gleichsam
gedanklich
geleitet
wird,
dadurch
das
fotografische
Werk
nicht
mehr
frei
betrachten
darf,
sondern
durch
den
begleítenden
Inhalt
gleichsam
bevormundet
wird.
Diese
Gleich-
schaltung
von
Kunst
und
Moral
dürfte
nicht
sein,
da
man
Kunst
durchaus
zugestehen
kann,
eine
eigene
Aussage
treffen
zu
können
und
ihr
den
Spielraum
zu
lassen,
die
Interpretation
dem
Betrachter
zu
überlassen.
Wo
bleibt
sonst
die
Spannung,
das
Entdecken,
das
Erkennen
für
den
Betrachter,
wenn
mit
dem
sprachlichen
Holzhammer
in
Form von „Begleittexten“ Meinungsbeeinflussung verabreicht wird - dafür gibt es letztlich bereits den ORF.
Der
Philosoph
Konrad
Paul
Liessmann
hat
ähnliche
Worte
vor
kurzem
in
einem
„News“
Interview
gefunden:
„Abgesehen
davon,
dass
nun
an
die
Kunst
ständig
kunstfremde
Maßstäbe
angelegt
werden,
nimmt
man
sich
die
Chance,
Kunst
als
den
letzten
Ort
des
Dialogs
zu
behaupten.“
Und
weiter:
„Ich
bin
ja
auch
der
altmodischen
An-
sicht,
dass
man
Kunst
und
Leben,
Künstler
und
Werk
trennen
kann
und
die
Kunst
sich
eben
nicht
den
politischen
Tagesmoden und moralischen Attitüden von selbstgerechten Aktivisten unterwerfen sollte.“
Kunst
könnte
zum
Ziel
haben,
eine
Verbindung
zu
dem
persönlichen,
dem
thematischen
Auseinandersetzen
und
Ausdruck
des
Schaffenden
zu
stiften,
die
von
den
Besuchern
getragen
wird
und
nicht
vorverdaut
von
Kuratoren
serviert
wird!
Denn
letztlich
gibt
es
sogar
in
Wien
noch
Menschen,
die
eine
Fotografieausstellung
-
und
jede
an-
dere
Präsentation
auch
-
nicht
als
linksgerechte
Politveranstaltung
oder
moralisierende
Ideologie
wahrnehmen
wollen!
Somit
können
wir
uns
nach
diesen
Betrachtungen
dem
eigentlichen
Thema
des
Beitrags
widmen:
Science/Fiction
-
A
Non-History
Of
Plants.
Werke
historischer
Fotopioniere
treten
in
Dialog
mit
zeitgenössischen
Positionen.
Dieses
„Spannungsfeld“
empfängt
den
Besucher
gleich
zu
Beginn.
Und
besser
kann
man
die
Schau
nicht
charakterisieren:
Fotografie
vs.
Ermahnung.
Fotografie
mit
einem
künstlerischen
Anspruch
verbunden
ge-
gen
die
Ermahnung
mit
keinem
künstlerischen
Anspruch.
Dieser
Zusammenstoß
ereignet
sich
bereits
ganz
am
An-
fang.
Die
sorgfältig,
nach
ästhetischen
Gesichtspunkten
arrangierten
und
lichtgesetzten
Kompositionen
des
Edward
Weston
gegen
die
kläglichen
Versuche
und
völlig
unkünstlerischen,
belanglosen
Zeugnisse
eines
zeitge-
nössischen Fotografen, der ihm gegenübergestellt wird. Seinen Namen habe ich leider nicht mehr präsent …
.
Folgt
man
dem
Weg,
stößt
man
durchaus
auf
wirklich
Sehenswertes:
Joan
Fontcuberta
und
Miljohn
Ruperto
&
Ulrik
Heltoft.
Warum
diese
Namen?
Weil
man
in
ihren
Werken
die
Beschäftigung
mit
dem
Medium
Fotografie
erkennt.
Sie
setzen
sich
nicht
hauptsächlich
mit
sich
selbst
und
ihren
Lebensumständen
auseinander,
sondern
machen
sich
weiterführende
Gedanken
-
und
hier
beginnt
das
Thema
SciFi
plötzlich
zu
wirken
-
zu
Inhalt,
Form-
gebung
und
Darstellung.
Dies
sieht
man
durch
die
Lichtsetzung
-
diese
scheint
als
Basis
der
Kunstrichtung
den
meisten
anderen
Zeitgenossen
weitgehend
egal
zu
sein,
oder
sie
können
es
gar
nicht
mehr
-
durch
Anordnung
entlang
der
klassischen
Proportionen
und
durch
das
Arrangement
auf
dem
Papier:
Horizontale,
Vertikale
und
Diagonale.
Vordergrund,
Hintergrund.
Das
Spiel
mit
Schärfe
und
Unschärfe.
Farbkontrast.
Techniken,
die
Fotografie
zu
Kunst
werden
lassen.
Und
wenn
all
das
aber
fehlt,
sollte
doch
noch
als
letzter
Anker
zumindest
eine Idee zu erkennen sein!
Die
Ausstellung,
die
fast
1:1
aus
dem
MEP,
dem
Europäischen
Haus
der
Fotografie
in
Paris
übernommen
wurde,
hat
ein
zentrales
Thema:
„Diese
emanzipatorischen
Geschichten
gehen
über
eine
anthropozentrische
Sicht
der
Welt
hinaus
und
geben
den
Pflanzen
einen
Platz
und
eine
Stimme.
Sie
werden
so
zu
einem
Raum,
in
dem
wir
unsere
Beziehung
zur
Natur
reparieren.“
Man
erkennt
bereits
an
diesen
Worten,
dass
die
große
Überschrift
nicht
die
Fotografie
ist,
sondern
die
Belehrung.
Mit
Ausdrücken
wie
emanzipatorisch,
anthropozentrische
Sicht
und
reparieren
gibt
man
dem
Besucher
gerne
das
Gefühl
mit,
„richtig“
zu
handeln,
indem
man
die
Ausstellung
konsumiert.
„Um
über
Umweltveränderungen
nachzudenken,
müssen
wir
die
politische
Kraft
der
Vorstellungs-
kraft
berücksichtigen,
unsere
Hoffnungen
akzeptieren
und
unsere
innersten
Ängste
erforschen,
damit
wir
gemeinsam
weiterhin
eine
gemeinsame
Zukunft
schreiben
können.“
Zu
Hause
angelangt
werfen
wir
im
Schnitt
weiterhin
300
kg
Lebensmittel
im
Jahr
weg,
kaufen
alle
zwei
bis
drei
Jahre
neue
Smartphones,
die
sieben
als
„kritische
Rohstoffe“
eingestufte
Metalle
enthalten
und
konsumieren
gerne
im
Winter
Mangos
aus
Thailand.
Den
Weg
nach
Hause
im
Elektrozweitauto
stört
bloß
kurz
ein
Gedanke:
Wo
unter
diesem
Berg
an
Moral
bleibt
jetzt
die
Fotografie?
Oder
angelehnt
an
das
Thema
der
Ausstellung:
„Was,
wenn
Pflanzen
intelligenter
wären,
als
wir
denken?“ - Was, wenn Menschen denken, intelligenter zu sein?
Was, wenn Menschen denken, intelligenter zu sein?
So ambitioniert und gut gemeint die Ausstellung Werte vermitteln will, es geht doch wieder einmal
in`s Leere. Vor dem Ausstellungsgelände liegt ein kerngesunder Baum: umgeschnitten. Er hat
ausbeobachtet, auskommuniziert und ausgeträumt. Fiction ist nun einmal in Wirklichkeit nicht die
Realität …
Fotocredit: der MÜRZPANTHER
Und die Ausstellung macht trotzdem Spaß. Mit genau diesen
Fotografien, die auch einen ästhetischen Anspruch
mitbringen:
Links: Karl Blossfeld, Rittersporn, 1920 - 1929, Silber-
gelatinabzug, 29,8 x 24, c Courtesy Galerie Berinson,
Berlin
Rechts: Anna Atkins, Hirschzungenfarn, um 1852,
Cyanotypie, 33 x 23cm, Courtesy Wilson Center for
Photography.
Idee vereint mit einem fotografischen Anspruch, ohne Zeigefinger:
Joan Fontcuberta, Giliandria escoliforcia, aus der Serie Herbarium, 1984,
Silbergelatine Abzug, 39,6 x 30 cm, Joan Fontcuberta / ADAGP Paris, 2024
Collection MEP, Paris