der muerzpanther
CRITICALLY ENDANGERED Das   große   oder   Wiener   Nachtpfauenauge    aus   der   Familie   der   Pfauenspinner   ist   eine   weltweit   mit   etwa   2.300 Arten   vertretene   Gruppe   von   Nachtfaltern   und   hat   sein   Verbreitungsgebiet   in   Nordafrika   und   Südeuropa.   Der nördlichen Rand der weltweiten Ausbreitung in Europa liegt in Niederösterreich. Und    innerhalb    Österreichs?    Hier    war    das    Nachtpfauenauge    einst    in    sechs    österreichischen    Bundesländern beheimatet.   Inzwischen   ist   die Art   lediglich   in   Wien,   in   Niederösterreich   und   im   Burgenland   anzutreffen.   In   der Steiermark und in Kärnten ist sie selten, in Oberösterreich verschwunden. Das   Wiener   Nachtpfauenauge   ist   seit   30   Jahren   in   fast   allen   Regionen   der   Steiermark   nahezu   flächig   verschwun- den   und   vom   Aussterben   bedroht:   critically   endangered .   Es   verblieb   nur   eine   beständige   Restpopulation   gestützt durch anhaltende Nachzucht im Naturpark Pöllau. Das   Nachzuchtprogramm   des   Naturschutzbundes   Steiermark    liegt   in   den   Händen   von   Frank   Weihmann.   Seit einigen   Jahren   kümmert   er   sich   um   die   Eier   und   die   Raupen,   die   zumindest   bis   zum   L3-Stadium   und   älter versorgt   und   dann   ausgebracht   werden.   Zudem   werden   auch   befruchtete   Weibchen   in   geeigneten   Gebieten freigelassen   –   diese   sollen   selbst   den   optimalen   Platz   für   ihren   Nachwuchs   wählen   dürfen.   In   seine   Arbeit   hat Frank   Weihmann ,   beim   österreichischen   Naturschutzbund   Projektleiter   für   den   Fachbereich   Zoologie,   dem MÜRZPANTHER einen wahrlich spannenden Einblick gewährt.
ACHTUNG! Dieser Artikel enthält folgende Ausdrücke:
 NACH OBEN NACH OBEN
dMP: Welche Gründe gibt es für den Rückgang der Nachtpfauenaugen der letzten Jahr(zehnt)e? Frank   Weihmann:   Mit   dem   vermehrten   Einsatz   von   Insektiziden   und   Pestiziden   im   Obstbau   begann   der   Rückgang der   Falter.   Auch   die   Lichtverschmutzung   spielt   wohl   eine   Rolle,   da   die   Art   stark   lichtaffin   ist.   Bereits   nach   dem Schlüpfen   werden   die   Falter   durch   die   Lichtquellen   weggeführt   und   erschöpfen   sich   um   diese   beim   Flattern   oder werden   dort   gefressen.   Viele   Fressfeinde   haben   sich   sogar   darauf   spezialisiert   bei   Laternen   zu   jagen.   Die   Licht- quellen   haben   vor   allem   einen   Einfluss   auf   die   Paarung   und   Vermehrung,   aufgrund   der   kurzen   Lebensdauer   der Falter   von   maximal   14   Tagen.   Nachtpfauenaugen   nehmen   als   Imagines   (Anm:   geschlechtsreifes   Insekt)   keinerlei Nahrung zu sich, sondern leben von den Reserven, die sie sich vorher angefressen haben. Als   Habitat   werden   warme   Hänge   in   Baum-   und   waldreichen   Landschaften   bevorzugt.   Waldränder,   Parkanlagen,        Streuobstwiesen,   Gärten, Alleen   und   Friedhöfe   werden   gerne   besiedelt.   Die   Falter   fliegen   von April   bis   Juni.   Ihre Aufgaben   beschränken   sich   auf   die   Fortpflanzung.   Die   bis   zu   200   Eier   werden   an   verschiedenen   Bäumen   wie Apfel,   Zwetschge,   Esskastanie,   Rotbuche,   Bergahorn,   Haselnuss   und   weiteren   Baumarten   an   den   Blattunter- seiten abgelegt. Die Eiraupen schlüpfen nach 10 bis 16 Tagen. dMP: Woher sind die Raupen, die Sie für die Nachzucht verwenden? Frank   Weihmann:   Wir   führen   die   Raupenzucht   von   einem   Züchter   bei   Pöllau   weiter,   der   aus   Altersgründen   mit seiner   Zucht   stark   kürzertreten   musste.   Natürlich   tragen   auch   viele   private   Züchter,   die   auch   30   bis   40   Raupen haben   zur   Wiederverbreitung   bei.   Wo   der   Ursprung   der   ersten   Tiere   liegt   ist   unklar.   Ich   selbst   habe   heuer   1900 Eier   behalten,   wenn   sie   dann   frisch   geschlüpft   sind   brauchen   die   winzigen   Raupen   nur   einen   geringen Aufwand, weil   sie   noch   wenig   fressen.   Zur   Zeit   sind   sie   im   Larvenstadium   2   und   weil   sie   bedeutend   mehr   Futter   brauchen, habe   ich   sie   in   mehrere   Gruppen   auf   die   Futterpflanzen   aufgeteilt.   Ich   muss   mindestens   ein   Mal   täglich   Futter   in die   Aerarien   geben,   weil   diese   ziemlich   klein   sind.   Bei   den   Einbindesäcken   klaube   (Anm.:   herunternehmen)   ich die   Raupen   von   den   abgeknabberten   Ästen   und   hänge   den   Einbindesack   auf   einen   neuen,   frischen   Ast.   Der Aufwand   wächst   mit   dem   Alter   der   Raupen,   im   letzten   Larvenstadium   fressen   sie   richtig   viel!   Die   70   bis   80 Raupen, die ich mir behalte, machen viel Arbeit! dMP: Bringen Nachzüchtungen überhaupt etwas, wenn wichtige Futterpflanzen in der Natur fehlen? Frank   Weihmann:   Das   ist   die   große   Frage.   Wir   können   dadurch   entgegenwirken,   die   seltenen   Orte   zu   finden,   die noch   geeignet   sind   –   d.h.   z.B.   große   Kirschbäume   in   einem   von   Lichtverschmutzung   verschonten   Gebiet,   welches auch   die   klimatischen   Bedingungen   erfüllt.   Zudem   stimmen   manche   Angaben   zu   Nahrungspflanzen   nicht   mit meinen   Erfahrungen   überein.   Apfel,   Haselnuss,   Rotbuche   und   Edelkastanie   funktionieren   nicht.   Am   sichersten funktionieren Esche, Marille, Kirsche und Kriecherl/ Mirabelle.
Die   Raupen   durchlaufen   4   oder   5   Entwicklungsschritte   -   je   nach Art.   Diese   werden   als   L1   -   L4/   L5   bezeichnet. Vom   Schlüpfen   bis   kurz   vor   der   Verpuppung.   In   diesen   fünf   Wochen   wechselt   die   Raupe   oft   die   Färbung   und   der Futterbedarf steigt auf annähernd das 800fache. Zwischen den Stadien häuten sie sich. dMP: Wie viele Falter züchten Sie? Frank   Weihmann:   Dieses   Jahr   sind   54   Falter   aus   den   78   Kokons   vom   Vorjahr   geschlüpft.   Von   diesen   habe   ich     1.900   Eier   behalten   –   einen   Teil   der   befruchteten   Weibchen   habe   ich   an   geeigneten   Plätzen   freigelassen.   Der ÖNB   setzt   seit   Jahren   Raupen   an   ausgewählten   Orten   aus   –   allerdings   lange   ohne   Erfolgsnachweis.   Seit   ich   das Projekt   betreue,   experimentiere   ich   damit   in   welchem   Stadium   es   optimal   ist,   die   Art   auszulassen.   Von   den 1.900   Raupen   lasse   ich   nicht   mehr   die   frisch   geschlüpften,   sondern   frühestens   Raupen   im   L2-Stadium   aus, einen   weiteren   Teil   im   L3   und   im   L4   und   als   Imagines.   Für   die   Weiterzucht   bringe   ich   ca.   70   bis   80   Raupen   bis zur   Verpuppung.   Diese   setze   ich   nicht   mehr   aus,   weil   die   Gefahr,   dass   die   ungeschützten   Puppen   geplündert werden, zu groß ist.   dMP: Welche Probleme gibt es bei der Nachzucht der Nachtpfauenaugen? Frank   Weihmann:   In   diesem   Jahr   ist   der   häufige   Regen   ein   Problem.   Die   Haltung   der   Raupen   erfolgt   in   Ein- bindesäcken   aus   Gaze   (siehe   Foto   oben),   die   an   die   Äste   der   Futterpflanze   angebunden   werden,   wodurch   sie immer   frisches   Futter   haben.   Das   birgt   die   Gefahr,   dass   es   im   Inneren   der   Säcke   zu   feucht   wird,   auch   der   Kot feucht   bleibt   und   die   Raupen   erkranken.   Ein   gelegentlicher   Regen   ist   unproblematisch,   solange   der   Einbinde- sack danach Zeit hat, gut zu trocknen. Aerarien   sind   geschützte   Kästen,   für   die   der   Regen   kein   Problem   ist.   Bei   den   Kästen   muss   ich   andererseits immer eingefrischtes Futter bringen. Optimal ist das nicht, weil die Zweige bei hohen Temperaturen welken.  dMP: Welcher Erreger gefährdet die Raupen? Frank   Weihmann:   Es   ist   ein   Virus,   der   sich   unter   feuchten   Bedingungen   optimal   ausbreitet.   Zur   Ausbreitung kann   auch   ein   zu   dichter   Besatz   an   Raupen   führen,   wodurch   sich   der   Erreger   sehr   schnell   überträgt.   Vor   drei Jahren   hatte   ich   das   Virus,   der Ausfall   war   sehr   hoch   und   ich   konnte   nur   sehr   wenige   retten.   Das   Virus   zersetzt die Raupe, das Innere verflüssigt sich und die Raupe stirbt.
Welche Probleme gibt es für den Bestand der Nachtpfauenaugen noch? Frank   Weihmann:   Ich   frage   mich   wie   sie   natürlich   überleben,   weil   die Ausfallsquote   enorm   ist.   Meisen   suchen   die Gehölze   nach   Futter   ab,   im   Verpuppungsstadium   sind   sie   durch   die   Kokonplünderung   von   Wespen   oder   Wanzen weiter   gefährdet.   Von   einhundert   und   mehr   Eiern   der   Weibchen   in   der   Natur   schätze   ich,   dass   die   Überlebens- rate   einstellig   ist.   In   den   Aerarien   schlüpfen   im   ersten   Jahr   80%,   die   anderen   Tiere   schlüpfen   im   zweiten   oder dritten   Jahr.   Sie   bleiben   teilweise   mehrere   Jahre   im   Puppenstadium.   Von   anderen   Züchtern   habe   ich   auch gehört,   dass   sie   bis   zu   vier   Jahren   verpuppt   bleiben.   Deswegen   nehme   ich   nach   dem   Schlupf   noch   jede   Puppe, hebe   sie   an   und   schüttle   sie   leicht,   um   zu   schauen,   ob   aus   dem   Kokon   ein   Schmetterling   geschlüpft   ist.   Die   lange Verpuppung dient der Adaptierung, sollte die Witterung zur Schlupfzeit schlecht sein. dMP: Welche Kosten entstehen bei der Nachzucht?   Frank   Weihmann:      Da   ich   die Aufzucht   im   Rahmen   meiner Anstellung   beim   ÖNB   Stmk.   durchführe,   einschließlich verschiedener   Fütterungs-   und   Wiederansiedlungsversuche,   sind   die   Kosten   entsprechend   höher   als   bei   Hobby- zuchten.   Ich   benötige   auch   eine   größere Anzahl   an     Aerarien   und   Einbindesäcke   als   Hobbyzüchter.   Leider   sind   die meisten   lediglich   für   eine   Saison   nutzbar.   Einbindesäcke   M   50   x   100   cm   kosten   bei   Bioform   21,70   exkl.   Versand. Einen alternativen Anbieter habe ich noch nicht gefunden. dMP:   Sie   können   die   Initiative   des   ÖNB   auch   gerne   unterstützen   und   den   Schmetterlingen   beim   Erhalt   unter die   Flügel   greifen:   Im   Rahmen   des   diesjährigen   Nachhaltigkeitsschwerpunktes   spendet   dm   (Drogeriemarkt) für   jede   Tagfalterbeobachtung,   die   im   Juni   auf   naturbeobachtung.at    oder   der   gleichnamigen   App   geteilt wird, 1 Euro für Schmetterlingsschutzprojekte des Naturschutzbundes. Hr. Weihmann, herzlichen Dank für das Gespräch!  
Es ist sechs Jahre her, dass ich dieses Nachtpfauenauge in der Toskana beobachten konnte. Wie Sie erkennen können, fliegt es um eine Lampe der Gartenbeleuchtung. Heute würde ich sofort das Licht abdrehen gehen … Foto: der MÜRZPANTHER
Die Gefahren für die unterschiedlichen Stadien der Falter sind vielfältig: Wanzen, Viren, Wespen oder Singvögel sind die natürlichen Feinde der Nachtpfauenaugen. Und natürlich der Mensch … Foto: Frank Weihmann
Bild links: Gezählte 1924 Eier, aus denen bald die winzigen Raupen schlüpfen werden. Viel fressen werden sie in den nächsten Monaten, um dann in der Aufzuchtstation des ÖNB (Bild rechts) in Aerarien und Einbindesäcken schnell zu wachsen, dann zu verpuppen und zu prachtvollen Faltern mit einer Flügel- spannweite von bis zu 160mm werden. Foto: Frank Weihmann