der muerzpanther
Sehr nüchtern ist die Beschreibung im Dehio Steiermark aus dem Jahre 1982 aus dem Verlag Anton Schroll & Co Wien: BAHNHOF. Aufnahmsgebäude von 1879. 3teilige Baugruppe in Natursteinmauerwerk mit reich gegliederten und verzierten Holzfachwerkgiebeln und Bahnsteigdach auf Gußeisensäulen. Im ehem. Hofwarteraum am Südende von der einstigen Ausstattung die hölzerne Kasettendecke und die geätzten Fensterscheiben noch erhalten. Nicht so nüchtern und gespickt mit persönlichen Erfahrungen ist die Darstellung von Wilfried Schmidt. Ich habe ihn kennnengelernt, als ich bei meiner Ausstellung saß. Herr Schmidt kam vorbei, um Bekannten etwas einmaliges zu zeigen, auch wo er als Geschäftsführer gearbeitet hat. Und abermals blicken wir zurück: Ab 1930 lösen die modernen Lokomotiven der Reihen 99/199 (später als 91/ 91.1 bezeichnet) die der Reihe 97 ab und bleiben bis 1972 die typische Lokomotive der Neubergerbahn. Alleine diese vierzig Jahre Geschichte mit einer legendären Lokomotive erwecken heute noch Erinnerungen. Ob dies in geraumer Zeit ebenso sein wird? Ich habe begründete Zweifel, deswegen habe ich recherchiert und bin fündig geworden. Viele haben Beziehung zu diesem Gebäude aus ihrem Beruf,ich habe ein Gespräch über die Arbeit am Bahnhof in den 80-er Jahren mit Wilfried Schmidt geführt. Ich war überrascht, wie groß die Begeisterung noch heute ist, folgen Sie uns.
Wilfried    Schmidt:    Ich    bin    in    Kapellen    aufgewachsen,    fühle    mich    aber    in    Neuberg    besonders    wohl    und krankheitsbedingt   komme   ich   oft   wegen   der   frischen   Luft   gerne   her.   Das   hat   man   sonst   nirgends.   Und   wie   ich 1986   von   meinem   damaligen   Chef   erfahren   habe,   dass   ich   als   Haltestellenwärter-   damals   gab   es   ja   keinen Fahrdienstleiter   mehr   -   nach   Neuberg   gehen   könnte,   ging   für   mich   ein   Traum   in   Erfüllung.   Der   Gedanke:   "Jetzt darf ich diesen Bahnhof betreuen" war großartig. Ich bin in dieser Jahreszeit, im Oktober hierher gekommen. DMP: Welche Ausbildung hat Sie hierher geführt? Wilfried    Schmidt:    Ich    bin    gelernter    Kraftfahrzeugmechaniker.    Bei    der    ÖBB    habe    ich    mich    als    Triebfahr- zeugsführer   beworben.   Damals   war   ein   metallverarbeitender   oder   elektronischer   Beruf   Voraussetzung.    Das   war Elektriker,    Schlosser   oder   KFZ   Mechaniker.   Heute   muß   man   eine   abgeschlossenen   Berufsausbildung   haben-   auch Bürokauffrau.    Ich    bin    ja    ein    geburtenstarker    Jahrgang    -    1961    -    und    natürlich    gab    es    damals    auch dementsprechend   viele   Bewerbungen   mit   einem   großen Andrang   für   diese   Berufe. Auch   für   den   Fahrdienst.   Für viele   war   die   ÖBB   ein   Traumjob.   Ich   habe   aber   meine   Ausbildung   dafür   nicht   gleich   beginnen   können,   weil   ich nicht alle Kriterien, die sehr, sehr streng sind und waren, nicht erfüllt habe. Wir   brauchten   einen   Befähigungsnachweis,   wie   sich   das   genannt   hat,   eine   gesundheitliche   Eignung   und   einen Test   beim   Psychologen,   der   sich   über   einige   Monate   gestreckt   hat.   Daneben   ein   polizeiliches   Führungszeugnis. Während     dieser     Überprüfungen     habe     ich     die     Bahnwärterprüfung     am     Semmering     gemacht     und     war Haltestellenwärter   in   Klagenfurt,   Wien,   Eichberg,   Breitenstein   und   Steinhaus.   Dort   war   damals   noch   ein   Block dabei. 1982   oder   83   bin   ich   zum   technischen   Einführungskurs   zum   Triebfahrzeugführer   in   der   Nähe   von   St.   Pölten gekommen.   Er   hat   sechs   Wochen   gedauert   und   dann   noch   fünf   Monate   in   der   Werkstatt.   Während   meiner Ausbildung    hatte    ich    unverschuldet    einen   Autounfall.    Dadurch    habe    ich    aber    eines    der    Kriterien    -    den Gesundheitscheck   -   nicht   mehr   bestanden.   Aber   die   ÖBB   hatte   damals   sehr   viele   Sparten,   in   denen   man   sich betätigen   konnte.   Ich   habe   dann   die   Funktion   des   Haltestellenwärters   angenommen.   Wie   überall   hat   es   auch   in Wr.   Neustadt   die   "Betafler"   gegeben. Auf   der   Seite   hat   es   an   den   Zügen   Halterungen   gegeben,   die   die Tafeln   mit der Information, wohin der Zug fährt, aufgenommen haben. DMP: Natürlich, diese Holztafeln ... Wilfried   Schmidt:   Nein,   das   waren   schwere   Metalltafeln,   die   man   eingehängt   hat   und   mit   zwei   Klapperln   fixiert hat.   Diese   hat   man   am   Bahnsteig   auf   einem   Gestell   hängen   gehabt   und   man   mußte   natürlich   immer   genau wissen,   welcher   Zug   wohin   fährt.   Zug   634   von   Villach   nach   Wien   bekam   dann   seine   Tafel.   Heute   macht   das   der Zugchef,   nur   sind   die   Taferln   viel   kleiner.   Seit   1985   war   dann   hier   in   Neuberg   (glaube   ich)   kein   Fahrdienstleiter mehr.    Die    Haltestellenwärter,    oder    auch    Geschäftsführer    waren    Personen,    die    Verkehrsbefugnisse    und komerzielle   Befugnisse   hatten   und   eigentlich   wie   Fahrdienstleiter   waren,   allerdings   auf   einer   eingleisigen Strecke. Man hat ja keine Signale, sondern nur zwei Weichen zum Stellen gehabt.
Hier sieht man noch nichts von der herrlichen Kassettendecke des Warteraumes. Foto: der MÜRZPANTHER
DMP: Da gab es auch noch den Personenverkehr. Wilfried Schmidt: Ja. DMP: Damals gab es ja drei, vier Stationen, unter anderem Neuberg Ort. Wilfried   Schmidt:   Grundsätzlich   sollte   diese   Bahn   ja   gar   nicht   in   Neuberg   enden,   sondern   über   Mariazell   weiter nach   St.   Pölten   führen.   Geplant   war   von   Mürzzuschlag   eine   Verbindung   von   der   Süd-   zur   Westbahn.   Zu   meiner Zeit   waren   zwei   Haltestellenwärter,   Hr.   Weidhofer   und   Hr.   Dobida.   Letzterer   ist Anfang   September   1986   tödlich verunglückt.   Die   Dienstreglerin   hat   mich   zu   dieser   Zeit   zu   sich   geholt   und   mich   gefragt:   “Herr   Schmidt, würden   Sie   nach   Neuberg   gehen?   Wir   bräuchten   einen   Geschäftsführer   und   Sie   haben   das   in   Breitenstein bereits gemacht. “ Als   ich   Neuberg   gehört   habe   -   das   war   unglaublich   -   habe   ich   natürlich   sofort   zugesagt.   Hr.   Weidhofer   hat   mir alles    gezeigt    -    vorne    war    damals    noch    ein    Magazingebäude.   Allerdings    mußte    man    hier    anbinden    und annehmen,   das   heißt   die   Züge   mussten   sich   vormelden.   Die   Züge   aus   Neuberg   hatten   29er   Nummern.   Von   Mürz ist   der   29/71   gekommen   und   raus   ist   der   29/70   gefahren.   Das   mußte   über   das   Zugmeldebuch   registriert werden.   In   zwei   Wochen   Einschulung   habe   ich   das   kennengelernt   und   danach   habe   ich   den   Bahnhof   alleine übergehabt.   Eine   der   Hauptaufgaben   war   mit   den   Öst.   Bundesforsten   und   dem   Sägewerk   der   Holztransport. Das    war    unser    Standbein.    Die    Zusammenarbeit    war    hervorragend.   Auch    wenn    einmal    ein    Fehler    in    der Warenbestellung    passiert    ist,    hat    man    mir    nicht    gleich    den    Kopf    abgerissen,    sondern    wir    haben    es    am übernächsten Tag abgewickelt.   Kurz   zum   Tagesablauf:   Ich   bin   mit   dem   ersten   Zug   von   Mürzzuschlag   hereingefahren   und   habe   um   sechs   Uhr begonnen.   Das   war   der   Schienenbus,   der   50/47   auf   dem   es   keinen   Zugbegleiter   gegeben   hat.   Der   Zugführer hat   selbst   angerufen,   ob   er   kommen   kann   und   hat   auch   selbst   die   Karten   verkauft.    Das   war   der   50/47,   der blau-    rote    Triebwagen.    Jedesmal    wenn    ich    hierher    gekommen    bin    war    ich    glücklich.    Dann    habe    ich aufgesperrt,   habe   mich   in   Mürzzuschlag   angemeldet;   ...   Von   Semmering   weiß   ich   es   noch:   Lang   -   kurz   -   kurz   - lang. DMP: Das war eine Direktverbindung zu den anderen Bahnhöfen?    Wilfried   Schmidt:   Genau!   "Schmidt   meldet   sich   in   Neuberg   zum   Dienst"   hat   es   geheissen.   Nach   dem   Guten Morgen    habe    ich    mit    den    Fahrdienstleitern    kommuniziert,    dann    ist    der    Zug    29/70    weiter    gefahren    zur Haltestelle Neuberg - Ort, und dann wieder heraus und ist hier stehen geblieben. Es   hat   einen   Schaffner   gegeben,   der   mitgefahren   ist.   Ich   habe   nach   der   Uhr   in   Mürzzuschlag   durchgegeben: "Wird   der   Zug   29/70   in   Mürzzuschlag   angenommen?"   der   Fahrdienstleiter   hat   zurückgegeben:    "Zug   29/70   wird angenommen!"   -   dann   bin   ich   zum   Zugbegleiter,   der   es   dem   Lokführer   weitergab,   hinausgegangen   und   habe gesagt:   "Zug   29/70   darf   abfahren!"   Nach   der   mündlichen   Mitteilung   ist   dann   der   Zug   gefahren.   Das   habe   ich   bei jedem   Zug   gemacht   und   das   war   noch   ein   ziemlicher   Aufwand.   Beim   reinfahren   hat   der   Fahrdienstleiter   mich gefragt: "Wird der Zug angenommen?" DMP: Welche Frequenz war an einem Tag? Wilfried   Schmidt:   Ungefähr   sechzehn.   Mit   dem   vorletzten   Zug   bin   ich   hinausgefahren,   beim   letzten   hat   es einen   Signalfernsprecher   gegeben   mit   dem   der   Zugebegleiter   um   die   Fahrerlaubnis   angesucht   hat.   Das   war wichtig,   weil   es   auch   die   Draisinen   gegeben   hat.   Diese   sind   beim Ausweichgeleis   in   Kapellen   -   das   damals   noch mit    einem    Haltestellenwärter    besetzt    war    -    gefahren.    Das    war    genau    in    der    V3    beschrieben,    eine Verkehrsvorschrift    vom    Ministerium,    und    es    war    für    den    eingleisigen    Bereich    natürlich    eine    große Verantwortung. DMP: Auf den Bildern sieht man vor dem Bahnhof zwei Gleise! Wilfried   Schmidt:   Es   gab   drei   Gleise   -   aber   nur   im   Bahnhofbereich.   Am   mittleren   Gleis   sind   die   Züge   bis Neuberg   Ort   gegangen,   vom   ersten   Gleis   bin   ich   immer   reingefahren,   wenn   ein   Verschub   da   war,   der   den   oder die   Wagen   von   den   Bundesforsten   geholt   hat,   dann   mußte   ich   unten   die   Weichen   stellen,   dass   er   einfahren kann.    Das    ist    dann    eingleisig    bis    nach    Kapellen    geführt    worden,     wo    man    die    Möglichkeit    hatte,    eine gefährdete   Route   mit   einer   Draisine   in   die   Ablenkung   zu   stellen.   Wenn   die   Meldung   ergangen   ist   "grenzfrei", dann   haben   wir   die   Möglichkeit   gehabt,   dem   Fahrdienstleiter   zu   fragen,   ob   der   Zug   angenommen   wird.   Sonst wäre    es    zu    einer    Katastrophe    gekommen.    Und    wenn    der    Fahrdienstleiter    gemeldet    hat:    "Zug    29/70    in Mürzzuschlag",  habe ich diesen Zug mit Uhrzeit austragen müssen.
Wilfried   Schmidt   mit   seinem   Hund   vor   dem   ehemaligen Arbeitsplatz. Fotos: der MÜRZPANTHER
DMP: Kam es irgendwann zu einem Unglück auf dieser Strecke? Wilfried   Schmidt:   Dadurch   dass   ich   so   genau   gearbeitet   habe,   wie   auch   alle   meine   Kollegen:   Gott   sei   dank nicht.   Auf   der   Südbahn   hat   man   natürlich   auch   vom   Sicherheitsstellwerk   andere   Voraussetzungen,   aber   man muß auch auf einer weniger befahrenen Strecke wie hier höchst aufmerksam sein. DMP: Gab es damals schon Signalgebung über Lichtanlagen? Wilfried   Schmidt:   Damals   lief   das   über   die   Kommunikation.   Das   war   eine   verkehrstechnische   Aufgabe.   Der Personenverkehr   war   eher   zu   vernachlässigen.   Leider!   Der   wurde   in   den   letzten   Jahren   von   den   Fahrgästen nicht   mehr   angenommen,   ich   habe   teilweise   tagelang   keine   Reisenden   mehr   gehabt.   Es   gab   viele,   die   mit Wochenkarten   gefahren   sind.   An   ein   Ereignis   kann   ich   mich   erinnern:   Da   ist   ein   Landwirt   aus   Kapellen   um   die Mittagszeit gekommen, der bei Dr. Becvar zu einem Arztbesuch war. Davor   hatte   ich   zwei   Stunden   Pause,   da   mußte   ich   die   Weichen   mit   einem   Pinsel   und   Öl   schmieren   -   das   ist heute    sicher    verboten    aufgrund    der    Umweltunverträglichkeit.    Das    überschüssige    Fett,    das    durch    den Bremsstaub   verdickt   war   habe   ich   in   einem   Küberl   gesammelt   und   habe   es   einmal   im   Monat   nach   Mürz geschickt. Dort wurde es entsorgt. Der   Landwirt   hat   nach   der   billigsten   Karte   gefragt.   Das   war   im   Personentarif   3   festgelegt.   Der   billigste   war glaube   ich   bei   1   bis   6   oder   bis   10   Kilometer   festgelegt.   Ich   habe   ihm   gesagt,   dass   dieser   Tarif   sieben   Schilling kostet.   Er   kramt   in   seinem   Geldtascherl   und   sagt:   "Vier   Schilling   hab   ich.   Wie   weit   kann   ich   denn   da   fahren?" "Da   können`s   überhaupt   nicht   fahren."   Darauf   er:   "Gib`ma   die   billigste!"   Und   ich   antworte:   "Die   billigste   kost` sieben   Schilling!"   Er:   "Ich   geb`dir   jetzt   vier   Schilling   und   du   gibst   mir   a   Koartn."   -   "Ich   kann   dir   ka   Koatn geben!"   Er   ist   dann   zum   Schaffner   hingegangen   und   hat   ihn   gebeten,   ihn   zumindest   bis   zur   Hirschbachbrücke mitzunehemen. Und weil der Schaffner ihn gekannt hat, hat er ihn mitgenommen. DMP: Das war mit Augenmaß! Da kommt einmal ein Reisender vorbei und der hat nicht genug Geld mit! Wilfried   Schmidt:   Reisende   haben   auch   manchmal   Gepäck   mitgehabt,   im   Monat   ungefähr   vier   bis   fünf   Koffer. Die   sind   mit   Bahnexpress   extra   aufgegeben   worden.   Das   waren   Einheimische   aber   auch   Gäste,   die   im   Gasthof Holzer    Zeit    verbracht    haben.   Aber    vor    allem    für    die    älteren    Menschen    war    das    ein    tolles    Service.    Sie verbrachten   teils   vier,   fünf   Wochen   hier   und   die   Koffer   waren   dementsprechend   schwer.   Ich   war   genau   im Winter   86/   87   da.   Ich   bin   im   Mai   87   wieder   nach   Spittal   am   Semmering   versetzt   worden,   wo   der   Bahnhof   auch in   eine   Haltestelle   umgewidmet   wurde.   Dort   habe   ich   im   nächsten   Jahr   die   komerzielle   Verwendungsprüfung im kaufmännischen Bereich gemacht. DMP: Als Sie versetzt wurden, war wahrscheinlich bereits klar, dass dieser Bahnhof geschlossen wird... Wilfried Schmidt: Mit erstem Juni war glaube ich zu ... An   meinem   letzten   Tag   hat   es   ein   riesiges   Schneegestöber   gegeben,   ich   habe   mich   unter   das   Vordach   gestellt und   Abschied   genommen   ...   Ich   muß   ehrlich   sein:   Da   sind   Tränen   geflossen.   Dieser   Geruch   des   Gebäudes! Teilweise   habe   ich   mich   am   Abend,   nachdem   ich   zugesperrt   habe   hier   (im   Wartesaal)   oder   im   Dienstraum hingesetzt ... Weil    mir    der    Bahnhof    auch    immer    am    Herzen    gelegen    ist,    habe    ich    den    Müll    rund    um    den    Bahnhof eingesammelt. Mit Handschuhen. DMP: Das ist verständlich. Wilfried   Schmidt:   In   diesem   Winter   mußte   ich   auch   auf   den   Ofen   schauen.   Davor   ist   ein   Blech   gelegen.   Das   war ein   Gußstahlofen,   der   ca.   ein   Meter   zwanzig   hoch   war.   Natürlich   ist   es   auch   passiert   -   was   eine   Dame   einmal beanstandet   hat   -   dass   er   ausgegangen   ist.   Geheizt   haben   wir   mit   Holz   und   Kohle.   Ich   habe   mir   von   zu   Hause trockenes   Spanlholz   mitgenommen,   weil   das   hier   aus   dem   Keller   furchtbar   feucht   war.   Dann   habe   ich   Holz draufgelegt und durchziehen lassen.
Und natürlich die Kassettendecke, die heute noch viele Besucher anlockt. Foto: der MÜRZPANTHER
DMP: Wenn das gut zieht, wird das Ofenrohr teilweise rotglühend! Wilfried   Schmidt:   Jetzt   stellen   Sie   sich   die   Angst   vor,   die   ich   hatte.   Das   ist   mir   Gott   sei   Dank   nur   ein-   zweimal passiert.   Die   Frau   Sommer,   die   Reinigungsdienst   versehen   hat,   hat   mir   auch   geholfen.   Mit   dem   Heizen   dieses Ofens habe ich für die Reisenden ein angenehmes Raumklima schaffen können. -   sieht   sich   um   -   Sonst   ist   alles,   so   wie   es   war.   Allerdings   war   ein   dünklerer   Tisch   hier.   Ich   glaube   dieser   ist   aus Kapellen.   Die   Bänke   sind   wie   damals. Auch   hier   -   zeigt    in   Richtung   Schalterraum   -   ist   fast   alles   wie   es   war.   Der "Bahnexpress"   war   zu   dem   Güterverkehr   und   dem   Verkehrsdienst   eine   Abwechslung.   Ich   habe   mich   nicht   ganz ausgekannt,   weil   ich   damit   ja   nur   einmal   im   Monat   zu   tun   hatte.   Herr   Lengauer   hat   mir   aber   immer   aus Mürzzuschlag   telefonisch   geholfen.   Er   war   die   Kummernummer.   Wenn   die   Güterwagen   zur   Verwägung   gekommen sind, mußte ich die Achslasten kontrollieren, die nicht überschritten werden durften. Am   Nachmittag   habe   ich   die   Frachtbriefe   geholt,   oder   der   Sägewerksleiter   oder   eine   Sekretärin   sind   mit   den Frachtbriefen   vorbeigekommen.   Wir   haben   bei   der   Verkehrskreditbank   ein   eigenes   Konto   mit   einer   Summe   von 50   000   Schilling   gehabt,   von   dem   wir   die   Warenfracht   abgebucht   haben.   Binde-   und   Sparrengurte   mußten   auch bestellt werden für die Güterwaggons ... Hilfsbögen, Kassenbücher, ... DMP: Hat sich der Bahnhof optisch aussen geändert? Wilfried   Schmidt:   Die   Farbe   war   gleich,   die   Türen   sind   damals   neu   gestrichen   worden   und   der   Boden   unter   dem Vordach   war   durchgehend   mit   den   kleinen   Fliesen,   nur   gerade   und   nicht   eingebrochen.   Der   Brunnen   -zeigt hinter   sich   -   war   auch   in   Betrieb   und   wurde   jeweils   am   ersten   November   abgestellt.   Wir   haben   ihn   ein   Monat, bevor   zugesperrt   wurde   noch   einmal   angestellt.   Das   hier   war   das   erste   Gleis!   Zeigt   zu   dem   aufgeschütteten Hügel,   auf   dem   das   ASZ   steht.   Weiters   in   der   Mitte   und   dahinter.   Da   hinten   sieht   man   noch   für   die   dreiachsige 91er    Dampflok    das    schwenkbare    Gestell    um    Wasser    zu    ergänzen.     Die    ist    lange    vor    dem    Postgebäude    in Mürzzuschlag   gestanden.    Zu   meiner   Zeit   hat   man   den   schweren   Verschub   -   so   sechs,   sieben   Wagen   -   den   RSZ, ein    vierachsiger    Rungenwagen,    mit    bis    zu    drei    Rundholzstößen,    mit    der    20/67er,    einer    großen    Diesellok bewerkstelligt.   Sie   hatte   einen   Stangenantrieb.   Bei   nur   zwei/   drei   Wagen   hat   man   die   20/62er   benutzt   und Personenwagen   ist   man   mit   der   20/60er   gefahren.   Die   hatte   einen   Gepäck-   und   Personenwagen,   einen   Raucher- und Nichtraucherwagen und nochmals einen gemischte Raucherwagen gezogen. Einmal   hat   sich   ein   Reisender   aus   Bruck   über   die   Raucher   aufgeregt,   worauf   ich   ihm   die   öst.   Tarifverordnung gezeigt   habe,   dass   die   Bundesbahnen   verpflichtet   sind,   in   gleicher   Anzahl   Raucher-   und   Nichtraucherwagen   zu führen.   Es   war   im   Tarif   die   Anzahl   der   Nichtraucherplätze   geregelt.   Mitte   der   Achtzigerjahre.   Das   ist   ja   jetzt total   verpönt.   Der   Tagesablauf   war   noch   durch   den   Gang   zur   Post   um   15   Uhr   geregelt.   Das   Geld,   das   ich   im Personenverkehr   und   durch   das   Verladen   eingenommen   habe,   habe   ich   am   Nachmittag   zur   Post   getragen.   Oft   bin ich   aber   nicht   gefahren,   sondern   da   -   zeigt   hin   -   durchgegangen.   Bis   Neuberg.   Das   habe   ich   immer   genossen   und bin zu meinem geliebten Bahnhof zurückgekommen. Ich komme heut aus dem Schwärmen noch nicht heraus. DMP: Dieser Bahnhof hat natürlich auch durch den Wartesaal eine besondere Stellung!   Wilfried   Schmidt:   Und   in   diesem   Trakt   waren   zwei   Parteien   untergebracht:   Unten   der   Herr   Moser   mit   seiner Familie   und   oben   der   Herr   Holzheu,   der   immer   Gitarre   gespielt   hat.   Man   hat   ja   durch   die   Fenster   alles   gehört. Da   unten   -   zeigt   in   Richtung   Mürz   und   Böschung   -   war   vom   Bahnhofsvorstand   ein   Garten.   Ich   habe   vor   einiger Zeit   mit   einem   rüstigen   Neunzigjährigen   gesprochen,   der   mir   versichert   hat,   dass   der   Bahnhof   zu   seiner   Kindheit schon   so   war.   Nichts   hat   sich   bis   heute   geändert.   Das   wichtigste   ist,   um   die   Struktur   zu   erhalten,   dass   man   die Seiten   am   Gemäuer   immer   ordentlich   ausputzt.   Es   ist   gut,   dass   der   Efeu   weg   ist.   Ich   habe   ihn   zu   meiner   aktiven Zeit    auch    geschnitten.    Ich    denke,    dass    der    Herr    Bürgermeister    dieses    Juwel    erkannt    hat,    weil    es    ein unglaubliches    Gebäude    ist.   Auch    wenn    sich    die    Zeiten    ändern,    ist    der    Verfall    solcher    Gebäude    natürlich unwiderbringlich.   Kennen   Sie   den   Lift   auf   die   Riegersburg?   Wie   kann   man   nur!   Ich   war   fertig,   wie   sie   ihn zugesperrt   haben.   Sie   sehen,   wie   sehr   ich   dieses   Gebäude   liebe   -   und   das   gibt   so   viel   Kraft!   Daran   vorbei   zu spazieren   macht   unheimliche   Freude.   Dieses   halbe   Jahr,   in   dem   ich   Dienst   gemacht   habe,   habe   ich   sehr genossen.   In   den   vierzig   Jahren   ÖBB   war   die   Zeit   hier   in   Neuberg   neben   Payerbach   -   Reichenau   und   Bad   Vöslau die schönste Zeit. Ich finde, dass jede Zeit ihre Schönheit hat. DMP: Dieser Bahnhof lebt durch die unveränderte Substanz. Wilfried   Schmidt:   Bahnhöfe   sind   für   mich   nicht   alleine   das   Kommen   und   Gehen,   sie   wirken   durch   ihr   Flair.   In vielen,   vielen   Bahnhöfen   geht   das   verloren.   Es   ist   nur   mehr   ein   zweckmäßiges   Abfertigen.   Einzig   Prag   hat   den Sprung zwischen Moderne und dem historischen Flair behalten. DMP: Herr Schmidt, herzlichen Dank für das Gespräch!
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